Was verstehen wir unter Shibari?

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Shibari ist japanisch inspirierte Fesselkunst, Kinbaku wird häufig synonym verstanden,
kann aber auch als intensiveres, gefühlsreicheres Shibari interpretiert werden.

Erotik und Intimität, Kunst und Ästhetik, Herausforderung und Entspannung, Nähe und Intensität, Führung und Hingabe
… all das suchen und finden Menschen im Praktizieren dieser Fesselkunst.

Es gibt in der Tat noch viele, viele weitere Motivationen Shibari zu erlernen und auszuüben.
Aus unserem undogmatischen Verständnis heraus ist keine dieser Motivationen „falsch“ oder „weniger gut“.

Shibari heißt einfach übersetzt: „fesseln“ oder „binden“, gemeint ist aber die traditionell japanische Art dies zu tun.
Die Interpretationen dessen sind vielfältig. In den verschiedenen Ländern existieren kulturelle Unterschiede,
unterschiedliche Formen der sexuellen Aufklärung, historische Unterschiede, feministische Ansichten (oder das Fehlen dieser),
es existieren Scham- versus Schuldkulturen etc.

Nicht zuletzt aber beeinflusst Geist, Seele und berührende Hand eines/r jeden Fesselnden selbst
die Art und Weise wie sein/ihr Shibari das Modell bindet.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bondage Methoden fixiert der/die Fesselnde beim Shibari sein/ihr Modell nicht immer
um danach Sexualität auszuüben. Viel mehr entsteht ein gemeinsamer Weg von Rigger*in und Modell,
ein Prozess an sich, der auch komplett ohne expliziten Sex sein darf und kann.

Der Weg ist das Ziel.

Erotische Photographie und auch Pornographie sind im Zusammenhang mit Shibari, besonders in Japan, durchaus üblich.
Dennoch spielen Ästhetik und Philosophie immer auch dabei eine wichtige Rolle.

In Japan haben sich über die Jahrzehnte hinweg aus ursprünglichen Samurai-Seiltechniken zur Gefangennahme
verschiedene Stile des Shibaris herausgebildet. Grob kann man dort in eher traditionell fesselnde Meister*innen
und modern fesselnde Meister*innen unterscheiden.
Manche fesseln am Boden (Floorwork), und/oder in der Luft (Suspension)
und/oder an Pfählen (Hashira Shibari)
Es gibt einige berühmte Shibari-Meister*innen in Japan, aber auch welche, die sich komplett von der Öffentlichkeit fernhalten.

Für uns ganz persönlich ist die Ausübung von Shibari zu vielen anderen Aspekten auch eine Form von Paar-Körpertherapie,
es bedeutet nonverbale Kommunikation, Zärtlichkeit und vertrauensbildende Zeit, ein gemeinsames Wachsen an- und miteinander.
Wir können in wohltuender Stille auf eine ganz andere Art als im Alltag miteinander kommunizieren.
Manchmal bedeutet diese Zeit aber auch herausfordernde körperliche Aktivität,
die in einer fast meditativen inneren Haltung münden kann.

Shibari ist für uns das ruhende „Auge des Sturmes“
in einer schnelllebigen, angespannten, stressigen Umwelt

 

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Was bedeutet SEMENAWA für UNS

Wörtliche Übersetzungen gelingen im japanischen nur schwierig. Seme bedeutet z.B. quälen oder auch attackieren.

Wenn Japaner*innen „Seme-nawa“ beschreiben übersetzt man es sinngemäß wohl am ehesten so:
„quälendes Seil / Fesseln“ oder „herausforderndes Seil / Fesseln“.

Verschiedene Großmeister*innen des Shibari folgen verschiedenen Konzepten.
Jene die Semenawa fesseln, zeichnen sich auch durchbesonders herausfordernde,
anstrengende Positionen, Shapes und Fesseltechniken aus.

Wir erleben Semenawa als Grenzerfahrungen im Seil.
Durch eine wohldosierte Zunahme von Intensität und herausfordernden Restriktion,
nähert sich die erfahrene fesselnde Person (während sie zielgerichtet ihre Fesselung anstrebt)
der physischen und psychischen Grenze ihres Modells und verweilt dort.
Es erfordert für den/die Rigger*in viel Fingerspitzengefühl und die absolute Fähigkeit,
sein/ihr Modell zusätzlich nonverbal „lesen“ zu können.
Das Modell braucht neben unerschütterlichem Vertrauen  auch die Bereitschaft sich hinzugeben.

„den Schmerz und die Anstrengung als Modell anzunehmen
und nicht nur schlicht auszuhalten,

aber auch als Gegenpart diese Hingabe wertschätzend in aller Tiefe annehmen zu können …
das erfordert von beiden eine starke innere Beziehung zueinander,
Respekt und Achtsamkeit“
(Steph)

„Urteile nicht über Dinge, von denen du nur Schatten und Echo kennst.“
(japanische Volksweisheit)

Die Schilderung hier zu Shibari/Kinbaku/Semenawa entspringen unserer eigenen Wahrnehmung.
Fakten über Japan kennen wir aus Erzählungen und Eindrücken
von befreundeten Rigger*innen, die in Tokio bei ihren Großmeistern lernen
und von unserer Begegnung mit Chiaki san.

Unser Weg hat uns bisher,
in unserem mehrjährigen Lernen ( 2015 bis jetzt) an der Kölner Seilschule Fushicho
auch in verschiedene diverse Schulen im Inland geführt.
Wir reisen zusätzlich seit 2018 jedes Jahr erneut mindestens einmal zu DocVale, 
nach Paris. Er ist Schüler von Naka Akira, und unserer zweiter, für uns sehr wichtigen Lehrer.

2024 hatten wir die seltene Gelegenheit bei Chiaki,
zweite Deshi von Naka san und Domina aus Tokio, in einem
3 Tage Workshop Teile ihres Shibaris nachzuempfinden und  zu erlernen.
Es war etwas Besonderes für uns und wir sind dankbar für diese Erfahrung!

Wir haben ein klares Bewusstsein darüber,
dass wir faktisch sowie philosophisch nicht wirklich viel wissen, wie Shibari direkt in Japan ausgeübt wird.

Jeder Mensch entwickelt seine eigene Wahrheit, anhand dessen, was er erlebt.
Somit lernen und lehren wir EINE ART (und ganz gewiss nicht die einzig mögliche)
des japanisch inspirierten Fesselns Shibari.